Tipps für den Erfolg an der Universität

Ein Studienbeginn kann für manchen einschüchternd sein. Gehörverlust kann dabei wie ein weiteres Hindernis wirken. Wir haben mit Jacki Andre gesprochen, die sich für die Rechte von Behinderten einsetzt und reichlich Universitätserfahrung hat.

Als ich auf dem Gymnasium war, hatte ich keine Ahnung, was ich mit meinem Leben machen wollte. (Was erzähle ich da? Ich habe immer noch keine Ahnung!) Ich war eine gute Schülerin. Ich habe gute Noten und sogar ein Stipendium bekommen. Es schien ganz selbstverständlich, dass ich auf die Uni gehen würde. Doch ich bin schwerhörig und hatte so viele Fragen. Würde ich in der Uni mit meiner Schwerhörigkeit zurechtkommen? Und falls ich es hinbekommen würde zu studieren und Erfolg zu haben, wie würde es dann weitergehen, in dem Bereich den ich studiert hatte?

Doch ich dachte, dass ich ohne Studium nur sehr wenige Optionen haben würde, also schrieb ich mich für Geisteswissenschaften an meiner örtlichen Universität ein. Dort erhielt ich meinen Bachelor und meinen Master. (Ja, ich war erfolgreich!) Nach Abschluss meines Studiums probierte ich ein paar verschiedene Jobs, bevor ich meinen Platz in meiner jetzigen Position fand: Ich bin an meiner Universität im Bereich der Barrierefreiheit tätig. Genau, ich organisiere die Hilfsmittel für Studenten, die sich mit den gleichen Fragen und Problemen konfrontiert sehen, die ich hatte.

Ich sage dir: Ich weiß, dass Universitäten einschüchternd sein können. Ich machte mir um alles Mögliche Sorgen, zum Beispiel:

        Die Semester sind so groß! Wenn ich den Dozenten sage, was ich brauche, erinnern sie sich dann in dem Meer aus Gesichtern an mich?

        Werde ich da einen Platz bekommen, wo ich gut hören und/ oder Lippen lesen kann?

        Wird man von mir erwarten, dass ich mir Podcasts oder Videos ohne Untertitel anhöre?

        Wird der Dozent dazu bereit sein, ein FM-Mikrofon zu tragen?

        Werde ich an Gruppenarbeiten teilnehmen und anderen Studenten erklären müssen, dass ich schwerhörig bin?

Aber ich sage dir auch: Wenn ich es geschafft habe, kannst du es auch schaffen!

Jeder erlebt Schwerhörigkeit anders. Nicht nur hören wir alle unterschiedlich viel, sondern auch die Hilfsgeräte, die bei jedem funktionieren und/ oder die wir bevorzugen, sind unterschiedlich. Es gibt zahlreiche verschiedene Angebote für Studenten, die schwerhörig sind. Manche werden dir besser helfen als andere. Zögere nicht, alle auszuprobieren um die zu finden die am besten zu dir passen.


Melde dich bei deinem Studentenwerk an

In der Grund- und Sekundarschule müssen wir unsere Bedürfnisse meist nicht jedem Lehrer erklären und uns für uns selbst einsetzen. Stattdessen stellt die Schule zusammen mit unseren Eltern einen individuellen Lehrplan auf, den Lehrer befolgen.

In der Universität ist das anders. Sie informiert Dozenten nicht über deine Bedürfnisse. Studenten müssen Eigeninitiative ergreifen und sich selbst um alles kümmern. Aber das hat auch einen Vorteil: Du kannst dir aussuchen, welche Hilfestellungen du in Anspruch nehmen möchtest.

Zuerst solltest du die Stelle an deiner Hochschule kontaktieren, die sich um die Hilfestellungen kümmert. Diese Stellen können „Büro für die Belange von Studierenden mit Behinderungen“ oder „Zentrum für barrierefreies Studieren“ heißen, oder es gibt „Schwerbehindertenbeauftragte“ als Ansprechpartner. Jede Institution und jedes Büro hat verschiedene Regelungen, doch meist musst du irgendein Dokument vorlegen, um dich dort zu registrieren. Sobald du registriert bist, informieren dich die Mitarbeiter darüber, welche Hilfestellungen dir zur Verfügung stehen. Sie werden dir auch erklären, was du tun musst um diese Hilfestellungen zu nutzen.

Sprich mit deinen Dozenten

Auf der Universität wirst du VIELE verschiedene Dozenten haben und mit jedem von ihnen über deine Bedürfnisse sprechen müssen. Was das bedeutet?

Weil Unis keine individuellen Lehrpläne für dich verfassen werden, werden Dozenten nicht über die speziellen Bedürfnisse eines Studenten informiert. Studenten müssen normalerweise selbst mit jedem Dozenten sprechen. Viele Hochschulen verfügen über Abläufe, die dies leichter machen. An meiner Universität stellen Studenten in ihren Onlinekonten mit ein paar einfachen Klicks, Briefe an ihre Dozenten zusammen. Die Briefe enthalten keine Diagnose, doch sie listen auf welche Hilfestellungen der Student benötigt. Studenten geben diese Briefe an ihre Dozenten weiter und wir ermutigen sie dazu, auch mit ihren Dozenten darüber zu sprechen. Nicht schüchtern sein!

Dozenten wissen, dass Hilfestellungen per Gesetz zur Verfügung gestellt werden müssen. Sie wissen, dass es Teil ihres Jobs ist, dir zu helfen. Außerdem tun viele Dozenten mehr, als von ihnen verlangt wird. Als ich einem meiner Dozenten erklärt habe, dass ich Lippen lese um ihn besser verstehen zu können bot er mir an, seinen Schnurrbart abzurasieren, damit ich seine Lippen besser sehen kann!


Informiere dich über Notizen-Programme

In Universitäten heißen Unterrichtsstunden meist „Vorlesungen“. Der Unterricht kann auch aus Praxisstunden und/ oder Lernprogrammen bestehen, bei denen Studenten praktische Arbeit verrichten oder über das Material diskutieren. Doch meistens halten Dozenten einfach nur eine Vorlesung. Während sie sprechen, machen sich Studenten Notizen.

Notizen zu machen, kann schwierig sein, wenn man schwerhörig ist! Du kannst Schwierigkeiten dabei haben, mit Hintergrundgeräuschen alles zu verstehen oder gleichzeitig Lippen zu lesen und zu schreiben.

Es ist jedoch recht üblich für Hochschulen, Notizen anzubieten.

Dein Büro für Barrierefreiheit wird einen Studenten im selben Kurs finden, der dazu bereit ist, seine Notizen mit dir zu teilen. Hierbei handelt es sich meist um ein vertrauliches Programm. Der Student, der die Notizen weitergibt, weiß nicht, für wen sie sind oder warum sie benötigt werden. An meiner Schule wurden die Notizen in eine Cloud hochgeladen, damit Studenten immer und überall auf sie zugreifen können.


Probiere technologische Hilfsmittel

Es gibt jede Menge Technologie, die für hörgeschädigte Personen von Nutzen sein kann, und ständig werden neue Geräte und Apps entwickelt. Hier einige technologische Hilfsmittel, die deine Hochschule dir möglicherweise zur Verfügung stellen kann (und weitere spannende werden wahrscheinlich bald dazukommen):

LiveScribe SmartPen

Der LiveScribe SmartPen nimmt Ton auf, der mit handgeschriebenen Notizen synchronisiert wird. Wenn der Stift ein auf das spezielle Papier geschriebene Wort berührt, wird die Tonaufnahme, die mit dem Wort verknüpft ist, abgespielt. SmartPens sind eine tolle Option für Menschen, die von Audioverstärkung profitieren. Meine Universität verleiht SmartPens und hilft Studenten dabei, staatliche Zuschüsse für einen eigenen SmartPen zu bekommen.

FM-Systeme

Manche (doch meist nicht alle) Zimmer sind mit FM-Systemen ausgestattet, die alle Studenten benutzen können. Falls du von einer Verstärkung im Hörsaal profitieren möchtest, wird dein Büro für Barrierefreiheit dafür sorgen, dass deine Vorlesungen in den richtigen Räumen stattfinden.

Falls du ein eigenes FM-System besitzt, kann dies natürlich in jedem Zimmer verwendet werden. Manche Dozenten sind vielleicht noch nicht mit FM-Systemen vertraut und brauchen Hilfe, um es zu verstehen. Dein Büro für Barrierefreiheit hat wahrscheinlich eine Anleitung, welche ausgedruckt und bei Bedarf weitergegeben werden kann.

CART, TypeWell, und andere Echtzeit-Untertitelungsdienste

Falls du Untertitel in Echtzeit benötigst, wird deine Hochschule sich darum kümmern. Dienste wie CART und TypeWell werden häufig angeboten. Vorlesungen werden per Stream online gestellt, ein Transkribierer hört zu und tippt das Gesagte in Echtzeit ab. Dieses Transkript wird an dein Gerät geschickt (Laptop, Tablet, Smartphone), während es geschrieben wird, damit du der Vorlesung folgen kannst.

Apps

Ich selbst benutze in manchen Situationen Software, die Gesagtes in Text umwandelt. Meist ist sie nicht absolut akkurat und ich hoffe, dass sie sich noch verbessern wird. Trotzdem kann sie mir helfen, wenn ich einer Unterhaltung nicht mehr folgen kann oder einige Lücken füllen muss. Für Diskussionen in kleinen Gruppen benutze ich eine App, die „Ava“ heißt und auch in Lernprogrammen und bei Gruppenarbeiten helfen kann.

Informiere dich über weitere Hilfsmittel

Es gibt einige andere Hilfsmittel, die dir dein Büro für Barrierefreiheit vielleicht zur Verfügung stellen kann, je nachdem, welche Bedürfnisse du hast.

Prüfungshilfen können in bestimmten Situationen für schwerhörige Studenten von Nutzen sein. Zum Beispiel: Wenn deine Prüfung einen mündlichen Teil hat (was häufig bei Fremdsprachenunterricht wie Französisch oder Spanisch der Fall ist), kann dein Büro für Barrierefreiheit dir dabei helfen, dies für dich möglich zu machen.

Außerdem finden Abschlussprüfungen häufig in großen Gemeinschaftsräumen statt, wie Sporthallen, in denen mehrere verschiedene Kurse zur gleichen Zeit Prüfung haben. Für schwerhörige Studenten kann es schwierig sein, in diesen Situationen mündliche Anweisungen zu verstehen oder ihre Hörgeräte richtig an die Umgebung anzupassen. Falls du bei Prüfungen dieser Art Hilfe brauchst, sprich mit deinem Büro für Barrierefreiheit.

Hilfestellungen für die Unterbringung können nötig sein, wenn du vorhast, in einem Studentenwohnheim zu wohnen. Ein blinkender Feueralarm ist in Gemeinschaftsräumen normal. Doch normalerweise sind nur wenige Zimmer barrierefrei und mit den Sicherheitsfunktionen ausgestattet, die ein hörgeschädigter Student braucht. Wenn du in einem Studentenwohnheim wohnen wirst, informiere das Büro für Barrierefreiheit und das für die Unterbringung der Studenten an deiner Hochschule über deine Bedürfnisse, um ein sicheres und komfortables Zimmer zu bekommen.


Ja, das Studieren an einer Uni kann einschüchternd sein, wenn man schwerhörig ist! Doch wenn du mit deinem Büro für Barrierefreiheit in Kontakt bleibst, Eigeninitiative ergreifst und dazu bereit bist verschiedene Hilfsmittel auszuprobieren, um herauszufinden welche dir weiterhelfen, wirst du Erfolg haben. Und wenn du Erfolg an der Universität hast, kannst du deinen eigenen Lebensweg finden und ein klares Ziel vor Augen haben.

"Als ich einem meiner Dozenten erklärt habe, dass ich Lippen lese um ihn besser verstehen zu können bot er mir an, seinen Schnurrbart abzurasieren, damit ich seine Lippen besser sehen kann!"